"Als der Franzose Bruno Robichon zusammen mit seiner Frau Hannelore im Juli des Jahres 1984 im idyllisch gelegenen Rieslingdorf Frankweiler die Dorfwirtschaft „Zur Frankenburg“ in der Orensfelsstraße übernahm, dümpelte die Südpfalz aus kulinarischer Sicht noch mächtig vor sich hin. Gut, im selben Jahr übernahm ein gewisser Karl-Emil Kuntz das Amt des Küchenchefs in der Haynaer Krone und erkochte sich zwei Jahre später seinen ersten Stern, aber ansonsten war in der von Weinstuben, Straußwirtschaften und Dorfbeizen gesäumten Region kulinarisch nicht besonders viel los. Die Liebe der deftigen Regionalküche ging damals eben in erster Linie durch den Saumagen. Insofern war diese der Kulinarik unseres Nachbarlandes verpflichtete Genussenklave mitten im Wohngebiet von Frankweiler von Beginn an etwas Außergewöhnliches. Und dass heute, 35 Jahre ! später, das Restaurant immer noch existiert und es sich nach wie vor einer großen Beliebtheit erfreut, spricht für seine kontinuierliche Qualität, mit der seit über drei Jahrzehnten exquisite Franko-Klassiker serviert werden. Als feste gastronomische Instanz und verlässliche Empfehlung ist dieses familiengeführte Traditionslokal längst kein Geheimtipp mehr. Und so kam auch ich vor gut 25 Jahren das erste Mal in den Genuss der klassisch französisch inspirierten Bistroküche von Maître Robichon. Ein familiäres Weihnachtsessen führte mich damals in das von außen recht wenig auf Spitzenküche hindeutende Wohnhaus. Die auf den Punkt zubereiteten Fischgerichte von damals hält mein kulinarisches Langzeitgedächtnis bis heute gespeichert. Die heimelige Wohnzimmer-Wintergarten-Atmosphäre der beiden Gasträume zusammen um die 45 Sitzplätze hatte ich dagegen nicht mehr so ganz auf dem Schirm, als ich zusammen mit meiner Frau an einem warmen Sommerabend Mitte August nach langer Abstinenz mal wieder dort aufschlug. Dass der Folgebesuch schon knapp zwei Monate später erfolgen sollte, konnten wir da noch nicht ahnen. Es muss uns anscheinend recht gut gefallen haben. Auch wussten wir im August noch nichts von der bevorstehenden Renovierung des ersten Gastraumes, dem man in der Folgezeit ein komplett neues Aussehen verpasste. In dem vormals trauten Wohnzimmer mit gepflegter Landhausatmosphäre hielt ein nicht minder schickes Bistroambiente Einzug. Mit neuer Beleuchtung in Form zeitgemäßer Pendelspots, grünen Wänden und edlen, nach eigenen Vorstellungen gefertigten Holztischen und Wandbänken war das eine Überraschung im allerbesten Brasserie-Sinne. Bei beiden Besuchen reservierte ich per Facebook bzw. Email. Dabei kommunizierte ich sowohl mit der Tochter Sophie FB , die seit sieben Jahren im Servicebereich tätig ist, als auch mit ihrer Mutter Hannelore Mail . Letztere lässt es – auch dank ihrer engagierten Tochter – nach so vielen Jahren in der Gastro verständlicherweise etwas ruhiger angehen und steht nicht mehr jeden Abend hinterm Tresen. Und so war es auch die Tochter Sophie, die uns freundlich in Empfang nahm und unsere Jacken zur Garderobe beförderte. Sie wurde an beiden Abenden von einer weiteren Servicekraft unterstützt. Auf unsere Fragen reagierte man fachkundig und aufgeschlossen. Man ließ uns genügend Zeit und nach jedem Gang wurde nachgefragt, ob denn alles in Ordnung gewesen sei. Das passierte nicht wie einstudiert, sondern klang nach echtem Interesse am Wohl des Gastes. Dass beim Besuch im Oktober der Küchenchef selbst für eine kleine Fachsimpelei über die Zubereitung seiner Bouillabaisse an unseren Tisch kam, zeigte uns, dass man sich hier nicht nur für die Stammklientel Zeit nimmt. Monsieur Robichon wurde in der Küche von einem weiteren Koch Nils , der hier auch seine Lehrzeit absolviert hatte und quasi als rechte Hand des Chefs fungierte, entlastet. Auch den jungen Azubi Tobias konnte ich durch die Durchreiche zur Küche erkennen. Die ein oder andere Aushilfe schien die überschaubare Personaldecke des Lokals zu komplettieren. Gemäß der vorhandenen Man- bzw. Womanpower war das Speisenangebot auf das Wesentliche beschränkt ohne dabei dürftig zu wirken. Bruno Robichon möchte seinen Gästen die Feinheiten der Franzosenküche näherbringen und bietet neben einer reduzierten À-la-carte-Auswahl an klassischen Bistrogerichten Fischsuppe, gemischter Vorspeisenteller, Croustillant mit Lammfüllung, Filet vom Charolais-Rind, Medaillons vom bretonischen Lamm und Seewolffilet mit Jakobsmuscheln drei verschiedene Menüs „Plaisir“, „Gourmet“ und eines mit saisonalem oder regionalem Bezug an. Einige der À-la-carte-Gerichte finden sich in etwas abgewandelter Form in den Menüs wieder. Die Entscheidung für das fünfgängige Gourmet-Menü 60 Euro fiel mir nicht schwer. Das originäre Seeteufel-Carpaccio konnte problemlos gegen die viel gelobte Fischsuppe mit Rouille und Croutons getauscht werden. Zu Seewolffilet und Lamm-Medaillons zweiter und dritter Gang gesellten sich noch eine feine Käseauswahl und eine Tartelette mit Zitronenmousse und Zitronen-Thymian-Sorbet. Meine Frau ließ sich vom Saison-Menü 49 Euro in vier Etappen in die Provence entführen. Auf ihrer Gaumenreise wurde sie von gegrilltem provenzalischem Gemüse mit Ziegenfrischkäse, einer kleinen Fischsuppe mit gebratenem Doradenfilet, Kaninchenpaupiette mit frischen Pfifferlingen sowie Aprikosen mit Lavendelcrème und Aprikosensorbet in den Süden Frankreichs geschickt. Die wirklich hervorragend sortierte Flaschenweinkarte, die neben einer Vielzahl französischer Trouvaillen auch gute Pfälzer Tropfen listet, lässt das Herz eines jeden Weinliebhabers höherschlagen. Alle wichtigen Weinregionen unseres Nachbarlandes sind mit ausgesuchten Kreszenzen vertreten. Neben Burgund, Beaujolais, Bordeaux und Rhônetal wird selbst dem Maconnais, der Loire und dem Languedoc vinophil gehuldigt. Freunde großer Pfalzgewächse dürfen sich an Riesling von Rebholz Siebeldingen , Weißburgunder von Münzberg Landau-Godramstein und Spätburgunder von Meßmer Burrweiler erfreuen. Auch kleine Flaschen zu 0,375l sind im umfangreichen Rebsaftsortiment der Robichons vertreten. Im August wählten wir noch ganz brav aus dem offenen Angebot ein Viertel Côtes du Rhône Villages Séguret von der Domaine de l’Amandine für faire 5,50 Euro sowie einen saftigen Weißburgunder Kabinett vom Siebeldinger Winzersektspezialisten Wilhelmshof zu 6,50 Euro für die gleiche Menge. Der rote Südfranzose war ein echter Wolf im Schafspelz. Samtweich schmeichelte er uns durch den Sommerabend, während Kollege Weißburgunder mit Schmelz und einem Hauch Exotik keinen besseren Gegenpart hätte abgeben können. Bei unserer Einkehr im Oktober war von Zurückhaltung bezüglich der Wahl eines geeigneten Flaschenweines dann keine Spur mehr. Die 14%ige Réserve Rouge aus dem Jahre 2012 namens „Mas de Tannes“ vom Ausnahmewinzer Paul Mas Languedoc erwies sich als würdiger Essensbegleiter, der mit wunderbarer Flaschenreife tiefdunkel in unseren Gläsern schwappte. Mit einem Preis von lediglich 23,50 Euro war er zudem ein echtes Schnäppchen. Zur Einstimmung wurden unsere „bouches“ ganz vortrefflich „amüsiert“. Im August erfreute uns eine aromatisch duftende Paprika-Espuma mit Olivenöl-Emulsion, die genau wie der zwei Monate später mit Curry verfeinerte und mit einer erdig-säuerlichen Rote-Bete-Vinaigrette ausgestattete Hokkaido-Schaum das kleine Gläschen aromatisch ausfüllte. Ein Hauch von Saisonalität, der schon beim luftigen Aufgalopp zu spüren war. Dazu wurden herzhafte Käsewindbeutel, die man im Burgund als „Gougères“ bezeichnet, gereicht. Fluffiger hätten die Grüße aus der Küche gar nicht ausfallen können. Spätestens als wir vor ein paar Tagen das zweite Mal bei Bruno Robichon einkehrten, wurde uns klar, wie wichtig dem Küchenchef eine feine Säurekomponente bei seinen Gerichten ist. Diese zieht sich wie ein roter Geschmacksfaden – in unterschiedlichen Nuancen und Schattierungen versteht sich – durch sein Speiserepertoire. Typisch französisch eben. Den Auftakt machte eine gänzlich ohne Alkohol auskommende Fischsuppe, die auf kräftiger Bouillonbasis mit tomatiger Abendröte und ganz viel geschmacklichem Meeresrauschen daherkam. Am Rand des mit saftiger Fischfileteinlage gefüllten Tellers kündete ein gelblicher Saum vom beherzten Einsatz eines der wichtigsten Bouillabaisse-Gewürze überhaupt, dem Safran. Auch die Verwendung von Knoblauch wurde nicht von vornherein unter Homöopathieverdacht gestellt. Folglich konfrontierte die aromatische Fischbrühe meine Geschmackspapillen mit einem mediterran-maritimen Breitwandformat, das ich lediglich am Hafen von Marseille noch eine Spur intensiver wahrgenommen hatte. Aber das war lange her. Bravo, das „Unterschriftgericht“ von Herrn Robichon war ein sehr gelungener Auftakt und kam einem lukullischen Wirkungstreffer gleich. Auf Rouille, Röstbrot und Käseraspel, die als obligatorische Beilagen nicht fehlen durften, hätte ich sogar verzichten können, so herrlich wohlschmeckend geriet Brunos Bouillabaisse. Auch meine Frau lobte ihren nach frischen Kräutern duftenden Gemüsehügel, der mit angerösteten Pinienkernen, feinem Olivenöl und einer stattlichen Ziegenkäsefüllung aufs Angenehmste drauflos „ratatouillierte“. Die gegrillten Hauptakteure lauteten Aubergine, Zucchini und Paprika. Der akkurate Einsatz von Knoblauch, Salbei, Thymian und Rosmarin ließ sie aber erst geschmacklich zur vollen Entfaltung kommen. Die ebenfalls mit einer Kräuternote versehene Käsecrème von der Ziege passte mit ihrer leicht herben Frische ganz hervorragend in dieses bunte Provence-Potpourri. Wir schalteten einen Gang höher. Während Madame eine etwas kleinere, dem Menü angepasste Variante von der Fischsuppe vorgesetzt wurde, bekam ich es mit einem perfekt auf der Haut gebratenen Seewolffilet, das auf hausgemachten Sepia-Nudeln thronte, zu tun. Eine „zum Reinlegen“ gut abgeschmeckte Sauce Ratatouille ergänzte diesen schon rein optisch sehr gelungenen Fischgang auf angenehm süffige Weise. Gut, dass da noch ein paar Schlückchen vom Weißburgunder Kabinett im Glas waren. Denn zum Fischteller passte er ausgezeichnet. Ach, wie herrlich so eine schnörkellos gekochte, aus hochwertigen Grundzutaten bestehende Mittelmeerkost doch schmeckt! Was braucht’s da mehr? Aber es gab ja noch mehr. Und auch den fleischlichen „Aufgaben“ des Abends wollten wir uns gerne stellen. Zumal mir der geballte Duft der Macchia in Form zweier saftiger Lamm-Medaillons aus der Bretagne auf einem ebenso wohlriechenden Saucenspiegel in die Nase stieg. Das Kartoffelgratin reichte man à part in einer kleinen Auflaufschale. Dazu gesellte sich noch leicht bissfest gegartes Gemüse Erbsen, Karotten, Kohlrabi . Ein klassisches Dreikomponentengericht, das in erster Linie von der handwerklich tadellos zubereiteten Lammjus und den beiden leicht durchwachsenen, à point gegrillten Medaillons des von Natur aus schon leicht würzigen Salzwiesenlamms lebte. Sein aromatisches Fleisch genügte, von einer animierenden Kräutermarinade kongenial verfeinert, nicht nur höchsten olifaktorischen Ansprüchen, sondern erzeugte auch ein breites Gaumengrinsen bei seinem Endverbraucher. Ebenfalls wunderbar saftig geriet die einer Roulade nicht unähnliche Paupiette vom Kaninchen, die sich meine Frau zusammen mit Pfifferlingen der gehobenen Güteklasse einverleibte. Und jeder, der sich in Fleischgerichten auskennt weiß, die schnell so ein Häschen texturell ins Trockene hoppelt. Ein Hauch von Basilikum, der sowohl von der Füllung des Karnickelrückens sowie von der üppig portionierten Jus herrührte, umwehte das mit den gleichen Gemüsebeigaben servierte Festessen. Mit seinem Händchen fürs Abschmecken verlieh Maître Robichon auch diesem vollmundigen Beiguss das gewisse Extra und ließ so meine Herzensdame aus dem Vollen löffeln. Der Käsegang vor dem Dessert bestand aus vier gut gereiften Exemplaren. Ziegenkäserolle, Comté, Reblochon und Fourme d’Ambert deckten ein recht breites Geschmacksspektrum, das von mild bis würzig reichte, ab. Auch texturell war das ein angenehmer Querschnitt durch den französischen Käsekontinent. Der cremige Fourme d’Ambert, der weiche Ziegenkäse, der etwas biegsamere Reblochon und der Hartriegel aus der Franche-Comté machten richtig Spaß. Die recht üppige Menüportion wurde von uns im Sharing-Modus bewältigt. So ganz sollten die gebotenen Milcherzeugnisse unsere Mägen noch nicht schließen. Denn das süße Finale stand uns ja noch bevor. Die von Him- und Heidelbeeren flankierte und mit Zitronenmousse bestückte Tartelette aus feinstem Mürbeteig hatte als sauer-aromatischen Gegenspieler eine Kugel Zitronen-Thymiansorbet mit auf den Teller bekommen. Gut, dass bei so viel Zitrusfrische ein paar kleine Merinque-Tupfer meine Nachspeise wieder zum Süßen wendeten. Auch die Gattin war angetan von ihrem Aprikosentraum, dessen vorzügliche Lavendelcrème die süßreife, von reichlich Carotin gesegneten Fruchtstücke um eine leicht herbe Note erweiterte. Das Aprikosensorbet lieferte dazu noch die passende Frische. Sauer, herb und süß – eine Kombination, die eigentlich jedes Dessert zu einem runden Geschmackserlebnis erheben. Dass man uns zur Rechnung noch zwei Stück Schokotarte kredenzte, machte uns überhaupt nichts aus, zumal dieser Petit-Four-Ersatz jedem guten Patissier ein neidloses „Chapeau“ abgerungen hätte. Das war kein Rausschmeißer, sondern eine Einstiegsdroge für Liebhaber des gehobenen Kakaoanteils. Zusammen mit der letzten Rotweinpfütze genossen war das tadellos oder „comme il faut“ wie der Franzose sagt. Wie gerne würde ich auch den zweiten Besuch hier gebührend rezensieren. Aber das würde wohl dann doch den textlichen Rahmen sprengen. Nur so viel sei gesagt: meine beiden an diesem Abend gewählten À-la-Carte-Gerichte, eine fabelhaft gegrillte Entenstopfleber auf Apfel-Blätterteigkissen mit Linsen an Vinaigrette mit sagenhaft zarten Tranchen von der Entenbrust 22,50 Euro sowie das perfekt medium rare gebratene Filet vom Charolais-Rind an Rotweinsauce, Herbstgemüse und frischen Pilzen 29,80 Euro stand dem viergängigen „Menu Automne“ 49 Euro meiner Frau in nichts nach. Der Vollständigkeit halber seien die vier Stationen ihrer kulinarischen Herbstwanderung kurz aufgezählt. Ziegenfrischkäse mit Rote Bete und herbstlichem Gemüse machte den farbenfrohen Auftakt. Den Zwischengang markierte eine mit Crevetten, Mies- und Jakobsmuschelfleisch gefüllte Coquilles St. Jacques, die der überbackenen bretonischen Art gar nicht so unähnlich war. Beim Hauptgang eiferten Brust und Keule vom Stubenküken um die saftigsten Momente auf dem Teller. Einem herrlich süffigen Mirabellen-Clafoutis hatte man Zwetschgenkompott und Mirabellensorbet als adäquate Begleiter mitgegeben. Für uns ein Nachtisch zum Teilen und Dahinschwelgen. Merci Sophie, Merci Bruno für diese beiden Abende auf ganz hohem Geschmacksniveau. Die äußerst wohlgeratenen Gaumenorgien beeindruckten und wir freuen uns schon auf den nächsten Besuch. 35 Jahre lang eine solche Qualität auf die Teller zu bringen sind aller Ehren wert. Chapeau, Monsieur!"