"So, nachdem ich Anfang November 2021 meinen Erstbesuch im Bistrobereich des renovierten Restaurants Friedrich absolviert hatte, ging es nun nach rechts! Ich hatte es ja schon angekündigt in meiner damaligen Rezension. Nach der erfolgten Renovierung haben Gina Duesmann und Lars Keiling das Hauptrestaurant im Oktober 2021 wieder eröffnet. Und wie in vergangenen Bad Bentheimer Zeiten ist das Restaurant zwei geteilt. Wendet man sich nach dem eintreten nach links, gelangt man in den legeren Bistrobereich. Wendet man sich nach rechts, geht es in den Bereich, in dem Lars Keiling beginnt, seine fine dining Küche wieder zu etablieren. Die Homepage klärt über das Angebot beider Teile auf. Nach dem ich schon im Herbst von einen überzeugenden Besuch im Bistrobereich berichten konnte, sollte es am Donnerstagabend nach rechts in den fine dining Bereich gehen. Als Tischgenosse für diesen Abend hatte sich ein wohl bekannter Bremer Kollege dazu gesellt, den ich hoffentlich inzwischen als guten Freund betrachten darf! Meine Frau hatte für den Abend angekündigt, dass ich alleine sein würde. Und weil ich seit langem über einen Besuch rechts nachdachte, schien mir dies eine gute Gelegenheit zu sein. Alleine macht so was natürlich keinen Spaß! Und so wurde der Bremer Freund kontaktiert, ob er am Donnerstagabend, den 17. Februar Zeit hätte. Hatte er, der Bremer Gourmet! Unkompliziert war daraufhin ein Tisch für uns per Mail reserviert. Plan war, dass wir von Rheine und Bremen mit den Zug nach Osnabrück reisen und uns im Friedrich treffen würden. Ein Sturm aber verhinderte die Weinkonsumfreundliche Verkehrsmittelwahl und wir beide mussten wohl oder übel mit dem PKW anreisen. Um 18 Uhr hatte ich den Tisch reserviert und fast genau zu der Zeit stand ich vor der Tür, wusste da aber schon, der Borgi würde sich etwas verspäten, weil der Wechsel auf den PKW bei ihm noch kurzfristiger erfolgt war. Ich trat ein, ein dicker Vorhang hält das Wetter draußen, wenn man die Tür öffnet. Ist man drin, ist man im Reich des Service von Gina Duesmann und Katy Rümmler Stolle. Wir hatten vor kurzem in den Kommentaren (Petra bei Christian Bau eine Diskussion über den Wert eines Sterne -würdigen Service und mit welchem Genuss man in einen solchen einsinken kann. So ist es auch hier, man tritt ein und man weiß, an diesem Abend wird einfach nichts geschehen, dass einen auch nur ansatzweise nerven könnte. Übrigens gehört dazu auch das neue Ambiente im fine dining Bereich. Im vorderen Bereich Tische für 2 oder 4 Personen, äußerst bequeme Stühle stehen an den Tischen. Einen kleinen Treppenansatz hinauf stehen weitere Tische, auch für größere Gruppen. Ganz sicher auch mal ein Ort für die G(enuss G(ruppe , die sich letztes Mal im Oktober 2019 getroffen hat! Es wird wieder Zeit! Meine Garderobe wurde mir abgenommen, ich hatte die Wahl zwischen 2 Tischen, die eingedeckt waren. Ich entschied mich für den hinteren der Beiden. Borgi war dabei, die letzten Kilometer auf der A1 nach Osnabrück zu bewältigen, als ich mich setzte und mir für die Wartezeit einen Aperitif servieren ließ. Ich musste wegen PKW Rückfahrt etwas haushalten mit der Menge an Alkohol, die ich zu mir nehmen würde, aber das würde schon gehen. Bei der Auswahl überließ ich mich der Wahl von Frau Duesmann. Wir kennen uns jetzt schon wirklich viele Jahre, und sie weiß als eine der besten Sommeliers ,die ich kenne, sehr gut, womit sie mich überraschen kann. An den Tisch kam dieses Glas, wie immer ein Produkten der Josephinen Hütte. Das war ein Champagner! Auch wenn die Optik das nicht vermuten lässt. Außergewöhnlich, mit einem deutlichen Aroma von Brombeeren im Abgang, nicht typisch, aber sehr interessant. Gina hatte Zeit und setzte sich, die perfekte Gastgeberin, zu mir und wir sprachen ein wenig über alles Mögliche, wobei ich mich dem Aperitif widmete. Wer die Chance hat, sollte diesen Champagner Rose Elixir aus dem Haus Coutelas probieren. Irgendwann stand dann auch der Borgi in der Tür. Dieser Mann ist raumfüllend (nicht im physischen Sinne, dafür fastet er zu häufig , sondern in seiner Ausstrahlung. Er kommt rein, und der Raum gehört ihm! Ignorieren geht nicht, wollten wir aber auch nicht. Und ich glaube gerade Gastgeberinnen wie Gina und Katy wissen den Umgang mit unserem Borgfelder sehr zu schätzen. Charmant werden dann manchmal die verbalen Schwerter gekreuzt! Und Carsten schaut zu und genießt seinen Aperitif...... Einen Aperitif wollte er nicht, und recht hatte er mit dem Einwand, ein Essen auf dem zu erwartenden Niveau verdient einen Wein auf gleichem Niveau. So ließ er sich von Gina Duesmann drei Chardonnay präsentieren, aus dem Burgund, aus Österreich und Übersee. Menschen die den Borgi kennen, wissen was gewählt wurde, und meiner Zustimmung zu seiner Wahl konnte er sich sicher sein. Hochformat, bitte anklicken Das gute Tröpfchen kam in den Dekantierer und ich nehme es vorweg, ein guter Teil vom Inhalt der Flasche fand den Weg mit einem fahrtüchtigen Borgi zurück nach Bremen. Wir waren ja sowas von diszipliniert an diesem Abend........ Genug Vorgeplänkel, es geht hier bei GG ums Essen. Tischkultur ist wichtig im Friedrich, alles muss mit dem Niveau der Speisen von Lars Keiling mithalten können. Somit war unser Tisch stilvoll eingedeckt. Die Karte wurde gereicht, wir wählten aus maximal 7 Gängen deren 6 aus und Katy Rümmler vollendete das eindecken mit dem richtigen Besteck. Persönlich getroffen hatte ich Borgi das letzte Mal im Oktober 2021 in Rheine, als mit ein paar Freunden und Kollegen hier aus GG in der Vinothek Sabine Kocks in Rheine ein wunderbarer Genussabend zelebriert wurde. Entsprechend gab es viel zu erzählen und die Wartezeit zu den ersten Küchengrüßen verflog im Galopp. Katy und Gina wurden im Service noch von einem jungen Herrn unterstützt, ich vermute ein Auszubildender, der sich zu Anfang noch etwas schüchtern gab, im Laufe des Abends dann aber auftaute. Unsere Speisenfolge begann mit Küchengrüßen. Amuse bouche bestehend aus einer Gänselebercreme, dass was aussieht wie eine Erdnuss. Unter dieser dann auch Crunch von (vermute ich gerösteter und gemörster Erdnuss. Sehr geschmackige Kombi, gefühlige, fettige Cremigkeit, herzhaft, dass waren die Assoziationen, die aufkamen. Dann eine Art Rillette, ganz sicher waren wir uns nicht, mit Aromen von Räucherfisch, belegt mit einem fermentierten Kohl, es ging in Richtung Kimchi. Zu guter Letzt noch Räucheraal, fettes Umani machte sich im Mund breit, eingefangen von einer sauren Creme. Willkommen in der Küche von Lars Keiling! Dazu und auch bei den weiteren Gängen servierte der Service ofenwarme Stücke einer klassischen Focaccia. Am Tisch konnte das mit einem recht herben Olivenöl und Salz ergänzt werden. Schon bei den Küchengrüßen fiel mir eine deutlich saure Note auf. Daran konnte ich mich in den Bentheimer Zeiten des Keilings nicht erinnern. Und beim ersten Gang setzte sich der Eindruck saurer Noten fort. Jakobsmuschel/ Rüben/ Kohlsprossen/ Meerrettich verkündete die Karte dazu. Nicht verkündet wurde der Kaviar auf der tadellos angebratenen Muschel. Mit der sollte man auch nicht zu viel anstellen, man kann sich drum herum austoben als Koch, aber die Muschel ist immer dann am besten, wenn sie einfach kurz scharf angebraten wird. Säure, Salzigkeit, Cremigkeit, Frucht, all das waren meine Sinneneindrücke beim Verzehr. Darf man schlotzig schreiben in Verbindung mit einer solchen Küche? Ich weiß es nicht, aber es war eine hinreißende Kombination von Geschmackseindrücken, die sich gegenseitig genug Raum zum entfalten gaben. Ich liebe auch etwas spitzere Säure in allen Gerichten. Gang zwei folgte nach angemessener Zeit. Meerforelle/ Purple Curry/ Cranberries/ Sellerie war das Thema, dass die Karte verkündete. Und Borgi entfuhr ein Wort, Kandinsky Teller sprach er aus beim servieren. Jetzt bin ich nicht so kunstaffin wie unser Bremer Kollege, aber die Teller-Geometrie war schon außergewöhnlich. In der Mitte ein Stück Filet, sous vide gegart, umhüllt von einem Sellerie Püree mit dem fruchtigen Aroma des Curry. Zwei Tropfen Cranberry Creme brachten fruchtige Säure in den Teller. Ein sehr intelligenter Gang, aber aromatisch braver als Gang eins und dem nun folgenden. Meinen Teller des Abends, ich nehme es vorweg, fand ich im dritten Gang. Skrei/ fermentierter Kohl/ Lardo Di Collonata/ Kräutersud, erst mal klang dass nach der klassischen Kombination, Kabeljau mit Speck und Sauerkraut. Klassisch kann Lars Keiling ganz sicher auch, aber dafür muss man sich links platzieren. Rechs fermentiert er den Kohl selber, mit einer durchdringenden Säure bildete dieser das Bett für ein pochiertes Filet vom Lofoten Leinenfang Dorsch. Auf dem Filet hauchdünner geschnittener Lardo, der der Säure-Orgie unten im Teller Cremigkeit entgegen setzte! Ein bisschen Crunch und frische Kräuteraromen dazu, ergab dass einen Teller, für den ich morden würde. Meine Geschmackswelt, meine Aromen, geiler Gang (sorry ! Ich war euphorisiert durch diese Säure im Gericht. Mit dem folgenden Gang holte uns Lars emotional wieder zurück an den Tisch. Ochsenschwanz Dim-Sum/ Roscoff Zwiebel/ Erdartischocke/ Portweinjus war das Thema von Gang 4. Erdartischocke? Was ist das? Gina klärte auf, man hatte Topinambur als solche bezeichnet. Sind die beiden Pflanzen verwandt? Meine botanischen Kenntnisse reichen da nicht aus. Jedenfalls lagen zwei Stücke davon auf dem Teller. Aromatisch machten den Teller die unglaublich geschmackliche Dichte (man beachte den Glanz der Jus aus, sowie die Süße der bretonischen Zwiebeln aus Roscoff. Manchmal kann ich die auf unserem Wochenmarkt kaufen, trotz der recht hohen Preise landet die dann immer im Korb. Die chinesischen Maultaschen waren Umani pur, die Füllung machte selig. Etwas kritilte der Bremer an den Verschlussstellen der Taschen herum, aber wahrscheinlich nur, weil er sonst nichts fand. Perfekte Einstimmung auf den Hauptgang, Perlhuhn in zwei Gängen. Brust mit Gewürzbrotcreme Kürbis verkündetet die Karte zu Teil eins. Unten im Teller fettes Umani durch die herzhafte Sauce/ Creme mit Kräuteröltupfen. Dass kam ganz sicher aus Pilzen, dass konnte das Aroma der Sauce nicht verbergen. Freude machte das im Inneren leicht rosa gegarte Stück Geflügelbrust. Erfreut hakte mein Tischgenosse nach, und bekam zur Antwort, dass man sich der servierten Qualität so sicher sei, dass man keine Probleme hätte der Garstufe medium. Wir sowieso nicht, dass ist so die Beste! Vom Aromenbild her ein äußerst geschmeidiger Gang. Teil 2 folgte der Brust. Keule mit Fregola Perigord Trüffeljus war die konsequente Fortsetzung dieses Duos. Ich bleib dabei, die Keule ist immer geschmackvoller als jedes Stück Brustfilet beim Geflügel. So auch hier, und das lag nicht an der umwerfenden Jus (Säure! oder den sardinischen Wohlfühl-Nudeln, sondern an einer hinreißenden Saftigkeit des servierten Stück Keule. Die Trüffelscheiben über der krossen Haut gingen in den anderen Aromen unter, weil ja auch die Sauce schon viel Aroma aus Trüffel bezog. Borgi und ich sahen uns an, und waren uns einig, was Lars Keiling bisher serviert hatte, war sternewürdig! Aber auch wirklich sättigend, demzufolge wurde Käse vom Tölzer Kasladen/ Früchte Nussbrot/ Beiwerk aus der Menüfolge gestrichen. Wir gingen direkt in den süßen Part über. Mont blanc/ Esskastanie/ Zitrusfrucht Granny Smith servierten uns Katy und Gina am Tisch. Hier stand der einzige Gang vor mir, dem ich nicht so viel abgewinnen konnte. Das Friedrich hat das Glück, dass die Patisserie mit einer gelernten Konditorin besetzt werden konnte. Aber der weiße Berg mit seiner Füllung aus dunkler und heller Maronenmousse war mir einfach zu süß. Das, oder heißt es der Fondant als Hülle übertünchte alles. Da half auch der wieder recht säurebetonte linke Teil mit einem tollen Mandarinensorbet nicht. Auch die Äpfel mit der ihnen eigenen Säure konnten da kein Gegengewicht für mich bilden. Vielleicht sehen das sehr viele andere Gäste des Friedrich anders, aber für mich ist ein so ausgeprägt süßes Dessert kein Genuss. Es fehlt die Spannung, die sich im Zusammenspeil von süß mit Säure und Salzigkeit einstellt. Aber das war wie beim Borgi jammern auf aller höchstem Niveau! Fertig waren wir noch nicht, bei der finalen Nascherei gab es dann Gelegenheit, das Menü Revue passieren zu lassen und die Eindrücke zu besprechen. Ich glaube, ich widerspreche Borgi nicht, wenn ich für uns Beide das Fazit ziehe, fine dining auf höchstem Niveau. Ambiente, Service, Küchenleistung, alles bewegt sich in dem Rahmen, in dem Gina und Lars schon in Bad Bentheim zwei Sterne erkocht haben. Ich sehe keinen Grund, warum das hier nicht auch der Fall sein sollte und bin gespannt auf den neuen Guide Michelin, der im März erscheint. Final noch ein Wort zu den Fotos in diesem Bericht. Das erste Mal ist ein Bericht von mir arbeitsteilig entstanden. Borgi hat seine wie immer für sich selbst stehenden verlockend erstellten Fotos bei gesteuert, ich habe ein paar Gedanken in Worte und Schrift drum herum erstellt. Hat Spaß gemacht! Der Abend und das Erstellen! Ich gebe nur äußerst selten volle 25 Punkte, aber hier gibt es dazu keine Alternative!"