"Zugegeben: in der vergangenen Woche hat mich die Nordseeinsel Borkum kulinarisch nicht immer voll überzeugt – trotz zahlreicher euphorischer Empfehlungen von Freunden und sehr viel Vorfreude. Man muss erkennen, dass auch hier (wie sollte es auch anders sein? Tagestouristen, Laufkundschaft und wahrscheinlich nicht wiederkehrende Kur- und Rehagäste das Geschehen dominieren und sich die Gastronomie dafür nicht unbedingt krummlegen muss. Und viele der Ferienhäusler verköstigen sich halt selbst. Nach einem hervorragenden Abendessen am ersten Abend soll nun aber noch ein guter Abschluss zum Ende folgen. Zwar sieht der „Knurrhahn“ von aussen, von der Hauptshoppingmeile Franz-Habich-Strasse, erst mal nach schnödem Fischimbiss aus. Dunkle Holzfront, kleiner Innenraum, draussen ein paar Fässer als Stehtische und einige Barhocker drumherum. Dass die Location bereits um 20 Uhr schliesst, lässt auch nicht unbedingt einen entspannten Abend erhoffen. Doch für den letzten Abend passt es hervorragend, haben doch gute Freunde von uns, die seit Jahrzehnten auf die Insel reisen, den „Knurrhahn“ wärmstens empfohlen. Bei fiesem Nieselregen scheidet Draussensitzen schon mal aus. Drinnen ist es eng, man steht oder hockt dicht gedrängt um ein paar halbhohe Tische herum, die feuchten Mäntel und Jacken hängt man an Haken an der Wand, bestellt wird direkt an der Theke, dahinter wird ununterbrochen gebrutzelt, gezischt, gebraten und angerichtet (Stichwort Show Cooking . Trotzdem ist es im Lokal zugig und feucht – vermutlich steht die Tür dauernd offen. Hier kommt man schnell mit anderen Gästen ins Gespräch: fast allesamt Stammgäste und Kenner, viele Solisten oder kleine Freundesgrüppchen. Mir scheint, wer einmal hier war, kommt öfter oder gar immer wieder. Das Fischangebot ist grossartig: Seelachs, Rotbarsch, Kabeljau, Pangasius, Scholle, Rotzunge, Lachs, Krabben in jeglicher Zubereitungsform, Grösse und Darreichung, vom einfachen Fischbrötchen bis zur großzügigen Fischpfanne im formschönen gusseisernen Pfännchen. Vieles kann man sich auch modular zusammenstellen, was mir sehr sympathisch ist. Auf Anraten unserer Tischnachbarin, die hier ein Ferienhaus hat, mehrfach im Jahr auf der Insel ist, grad eben angekommen ist und gleich mal beim „Knurrhahn“ einkehrt, wählen wir: Rotwein Matjesfilet mit Zwiebeln, Bratkartoffeln und Salatgarnitur für 9,50 Euro, sowie Salat Neptun für 11,50 Euro (Salat der Saison, gebratene Fischfiletstreifen, Räucherlachs, Nordseekrabben, Kräuterrahmdressing und Baguette . Da Selbstbedienung herrscht, darf man sich das Essen selbst an der Theke abholen und das benutzte Geschirr hernach wieder selbst abräumen. Der Majes ist zart und aromatisch, die Bratkartoffeln sind kross, mit Fett wurde auch nicht gerade gespart. Garniert wird mit frischen Kräutern (Dill und Schnittlauchröllchen , säuerlichen Apfelscheiben und knackigem Salat. Der Salat Neptun entpuppt sich als riesige Portion, die auf einem grossen, tiefen Teller angerichtet ist. Mehrere kleine, sparsam panierte Fischfiletsstücke, würzig geräucherter Lachs und reichlich Krabben tummeln sich auf einem frischen, leckeren Salat aus Blattsalaten, Tomate, Gurke, Karotten, Kappes. Alles in allem kaum zu bewältigen. Sensationell und unerwartet ist die Weinkarte mit etlichen hochwertigen Flaschenweinen, aber auch vielen Sorten, die gläserweise ausgeschenkt werden. Trotz Imbisscharakter will man hier nicht auf gepflegte Trinkkultur verzichten und gibt feine, hohe Weingläser aus. Zu den engen, winzigen Toiletten führen drei Treppenstufen (Achtung beim Rausgehen! . Wenn das Lokal voll besetzt ist (also wahrscheinlich immer , muss man sich durchschlängeln. Aber die Enge und Überschaubarkeit des Lokals machen wahrscheinlich mit seinen Charme aus. Die Qualität und Frische unserer Gerichte ist erstklassig, die Preise sind sehr moderat, mit den anderen Gästen kommt man sehr schnell ins Gespräch. Alles in allem ein höchst sympathisches Fischlokal, das ich unumwunden empfehlen kann und das ich jederzeit wieder besuchen würde. Es öffnet schon um 11 Uhr vormittags. Ideal für ein spätes, herzhaftes, deftiges (zweites Frühstück, ganz nach meinem Geschmack. "